Wirtschaftsordnung: Grundzüge von Wirtschaftsordnungen

Wirtschaftsordnung: Grundzüge von Wirtschaftsordnungen
Wirtschaftsordnung: Grundzüge von Wirtschaftsordnungen
 
Die Wirtschaft scheint wie selbstverständlich zu funktionieren. Wir gehen in einen Supermarkt und finden dort alles, was wir brauchen. Brot, Butter, Äpfel und Bananen liegen einfach in den Regalen. Wir nehmen sie heraus, bezahlen dafür und nehmen die Einkäufe mit nach Hause. Das dichte Netz wirtschaftlicher Aktivitäten, die erforderlich sind, um die Waren in die Regale zu bekommen, ist uns dabei nicht bewusst. Bedarf und Produktion in einer arbeitsteiligen Wirtschaft müssen aufeinander abgestimmt und organisiert werden. Die Gesamtheit der für den Aufbau und das Funktionieren einer Volkswirtschaft notwendigen Regeln bezeichnet man als Wirtschaftsordnung. Die Wirtschaftsordnung legt den Rahmen für die Beziehungen der einzelnen Wirtschaftseinheiten zueinander fest, aber auch den Entscheidungsspielraum der privaten Wirtschaftssubjekte gegenüber dem Verfügungsbereich staatlicher Instanzen. Die gesetzliche Verankerung dieser Regeln nennt man Wirtschaftsverfassung. Bezüglich des optimalen Regelwerks herrschen allerdings Meinungsverschiedenheiten. Letztendlich bestimmen unter heutigen Bedingungen meist staatliche Instanzen die Ausgestaltung des Regelwerks.
 
 Wirtschaftsordnung als Teil der Gesellschaftsordnung
 
Die Wirtschaftsordnung wird als Teil der Gesellschaftsordnung betrachtet. Die Organisation der Volkswirtschaft ist eine politische Entscheidung, die ideologisch motiviert ist. Je nach Anschauung über die Rolle und das Wesen des Menschen in der Wirtschaft lassen sich unterschiedliche Ideologien gegeneinander abgrenzen. Im Mittelpunkt der individualistischen Gesellschaftsordnung steht der einzelne Mensch und sein Recht auf Streben nach Glück. Oberster Grundsatz ist dementsprechend die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen in wirtschaftlichen Dingen. Der Staat soll dabei nur die Rahmenbedingungen für die Tätigkeiten und den Schutz des Einzelnen schaffen. Die wirtschaftlichen Entscheidungen werden von den Individuen in den Haushalten und Unternehmen getroffen. Auf den Märkten bilden sich Preise und schaffen dadurch Anreize, auf der einen Seite zu produzieren und auf der anderen Seite zu konsumieren. Alle Wirtschaftssubjekte organisieren ohne zentrale Steuerung allein durch Angebot und Nachfrage das Wirtschaftsleben (Marktwirtschaft). In der kollektivistischen Gesellschaftsordnung haben nicht die Bedürfnisse des Einzelnen, sondern die gesellschaftlichen Bedürfnisse erste Priorität. Die Eigeninteressen des Menschen sollen dem Gemeinwohl untergeordnet werden. Staat und Gesellschaft verfolgen übergeordnete Ziele, an deren Verwirklichung jeder Einzelne mitzuwirken hat. Die Volkswirtschaft funktioniert nach einem zentralen Plan, der von einer zentralen Planstelle erarbeitet und dessen Einhaltung auch zentral überwacht wird (Planwirtschaft). In der Realität existiert weder die reine Marktwirtschaft noch die reine Planwirtschaft. Als Mischformen dieser beiden Ideologien können sowohl die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland als auch die früheren Planwirtschaften der ehemals sozialistischen Staaten angesehen werden.
 
 Klassifikation der Wirtschaftsordnungen
 
Eine Einteilung der Wirtschaftsordnungen wird häufig anhand zweier wesentlicher Merkmale vorgenommen. Zum einen ist es die Form des Eigentums und zum anderen der wirtschaftliche Koordinationsmechanismus. Die Eigentumsordnung sagt aus, ob Produktionsmittel Privat- oder Gemeineigentum sind. In einem kapitalistischen System gehören die Produktionsmittel Privaten; in einem sozialistischen System hingegen sind sie Gemeineigentum. Karl Marx (1818-1883) nannte die Form des Eigentums an den Produktionsmitteln das grundlegende Klassifikationsmerkmal. Je nach Ausgestaltung kann die Wirtschaftsordnung der Urgesellschaft, der Sklavenhaltergesellschaft, dem Feudalismus, dem Kapitalismus oder dem Sozialismus bzw. dem Kommunismus zugerechnet werden. Der historische Materialismus beschreibt diese Grundtypen im Zeitverlauf. Der Koordinationsmechanismus erklärt, was, wie und für wen produziert werden soll. Grundsätzlich lassen sich dabei zentrale und dezentrale Formen der Koordination unterscheiden. Bei zentraler Koordination übernimmt eine zentrale staatliche Instanz alle notwendigen Entscheidungen. Sie plant das »Was«, »Wie« und »Für wen« und wird daher auch als Planwirtschaft oder Zentralverwaltungswirtschaft bezeichnet. Bei der dezentralen Koordination entscheiden Unternehmen und Haushalte; Angebot und Nachfrage steuern das Geschehen einer solchen Marktwirtschaft. Dem Ökonomen Walter Eucken (1891-1950) zufolge ist Koordination bzw. Planung das elementare Klassifikationsmerkmal. Seiner Meinung nach wird es im »Denken in Entwicklungen«, wie es etwa bei Marx zu finden ist, vernachlässigt. Je nach der Zahl der Planträger unterscheidet Eucken idealtypisch zwischen dem Modell der »freien Verkehrswirtschaft« (Marktwirtschaft) und dem der »zentral geleiteten Wirtschaft« (Planwirtschaft).

Universal-Lexikon. 2012.

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